30 JAHRE BRUNDTLAND-BERICHT: EINDIMENSIONALES DENKEN ÜBERWINDEN
Vor 30 Jahren, am 4. August 1987, legte die UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung unter dem Vorsitz von Gro Harlem Brundtland ihren Bericht mit dem Titel "Our Common Future" vor. Dr. Volker Hauff, B.A.U.M.-Umweltpreisträger 2015, gehörte dieser Kommission an. Im Interview spricht er über die Entwicklung der letzten 30 Jahre, den oft verwässerten Begriff "Nachhaltigkeit" heute und die Herausforderungen einer Gesellschaft, in der die soziale Kluft immer größer wird.
Herr Dr. Hauff, Sie haben der UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung unter dem Vorsitz von Gro Harlem Brundtland angehört. Vor 30 Jahren, am 4. August 1987, legte die Kommission ihren Bericht mit dem Titel "Our Common Future" vor. Was war für Sie damals die wichtigste Leistung dieses Berichts?
Mit dem Bericht wurde das Thema "Nachhaltigkeit" auf die Tagesordnung der internationalen Diskussion gesetzt. Es ist seither nicht mehr verschwunden; im Gegenteil: Das Thema hat einen beispiellosen Siegeszug hinter sich. Heute steht es im Zentrum der wichtigen Debatten.
Das
mag damit zusammenhängen, dass wir in der Brundtland-Kommission nicht versucht
haben, die Wahrheit zu finden und dogmatisch festzuhalten; sondern wir haben
uns darum bemüht, Fragen und Gedanken zu formulieren, die es wert sind, darüber
gründlich nachzudenken, weil sie das eindimensionale Denken – sei es in der
ökonomischen oder ökologischen oder sozialen Dimension –überwinden. Wir wollten
uns und andere dazu ermuntern, dieses neue Denken zu wagen; auch weil wir
wussten, was Einstein so formulierte: "Man kann ein Problem nicht mit dem
Denken lösen, das zu diesem Problem geführt hat".
Und was ist aus heutiger Sicht wichtig?
Heute ist der Begriff in aller Munde und man muss aufpassen, dass er nicht verwässert wird. Ein Beispiel mag das verdeutlichen: Die Deutsche Bank hat bei der Sanierung ihrer Bürotürme in Frankfurt sehr umsichtig gehandelt. Dafür wurde sie mit einem Preis für Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Aber gleichzeitig hat die Bank mit kriminellen Methoden den Kreditmarkt vergiftet, und das ist ihr eigentliches Geschäft. Da hat sie keine nachhaltigen Lösungen praktiziert. Und deswegen müssen wir darauf achten: Nachhaltigkeit muss mit den eigentlichen Kernaufgaben eines Unternehmens, einer Organisation, eines Gemeinwesens oder einer Einzelperson zu tun haben. Nachhaltigkeit ist viel mehr als "nice to have". Nachhaltigkeit ist der Ernstfall. Und wir müssen wissen: Wir stehen ganz am Anfang einen Entwicklung, die das 21. Jahrhundert wesentlich bestimmen muss.
1987 war B.A.U.M. gerade mal drei Jahre alt. Seitdem hat sich im Bereich Umwelt- und Nachhaltigkeit viel getan – auch bei Unternehmen. War nachhaltige Entwicklung in Deutschland in den letzten 30 Jahren eine Erfolgsstory? Oder wo hätten Sie sich mehr erhofft?
Es war eine Erfolgsstory. Ich hätte bei der Veröffentlichung des Berichts im Jahr 1987 niemals gedacht, dass wir in so kurzer Zeit so viel erreichen werden. Aber – wie schon gesagt – es gab auch Tendenzen, daraus eine Modeentwicklung zu machen; und gelegentlich kam es auch zu Fällen von Missbrauch. Deswegen ist es gut, dass es Organisationen wie B.A.U.M. gibt, die mit Ernsthaftigkeit daran gearbeitet haben, die Zustimmung zu einer nachhaltigen Entwicklung zu befördern. Das war auch eine Erfolgsstory, die sicherlich viel Kraft gekostet hat und von der ich hoffe, dass sie sich fortsetzt.
Die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit haben Sie bis heute begleitet; u. a. waren Sie Mitglied des Rats für Nachhaltige Entwicklung und der Ethikkommission für eine sichere Energieversorgung. Wo sehen Sie heute die dringlichsten Handlungsfelder für Deutschland – und für die EU?
Wir brauchen heute keine generelle Überzeugungsarbeit mehr zu leisten, um Menschen davon zu überzeugen, dass die Arbeit an einer nachhaltigen Entwicklung richtig und vernünftig ist. Aber wir müssen noch viele davon überzeugen, dass es notwendig ist, vom Ziel einer nachhaltigen Entwicklung auch dann nicht abzulassen, wenn es schwierig wird und wir auf Widerstände stoßen. Die größten ungelösten Probleme liegen vor allem im Bereich der Finanzwirtschaft. Das wird uns noch viel Kopfzerbrechen bereiten. Und das zweite große Feld bei dem die Nachhaltigkeit eher in Mitleidenschaft gezogen wird, ist die enorm zunehmende Kluft innerhalb unserer Gesellschaft. Das hat mit materiellen Fragen zu tun, aber es erschöpft sich nicht darin; es gibt auch so etwas wie eine zunehmende seelische Verarmung, die gelegentlich zur Verwahrlosung führt. Das hält auf Dauer keine Gesellschaft aus und deswegen ist das eine Gefahr für den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Das gilt nicht nur für die Gegenwart; das kann auch zu ernsthaften Belastungen für kommende Generationen führen.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Hauff.
SCHON GESEHEN?
BESTELLEN SIE DEN B.A.U.M.-NEWSLETTER!