Für die Erreichung der Klimaziele ist die Reduktion von Treibhausgasemissionen in der Industrie ein entscheidender Hebel. Bis 2030 sollen die Emissionen der deutschen Industrie daher um über 50 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden.
Das Projekt „Künstliche Intelligenz für Energietechnologien und Anwendungen in der Produktion“ (KI4ETA; Laufzeit 2021–2024) zeigt, wie innovative Technologien und künstliche Intelligenz (KI) dazu beitragen können, Energieeffizienz zu steigern und die Industrie klimafreundlicher zu gestalten. Gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (früher BMWK) und getragen von über 20 Partnern aus Wissenschaft und Industrie verfolgte das Projekt das Ziel, durch die intelligente Nutzung von Daten und die Entwicklung neuer Tools und Technologien den Regelkreis der digitalen Fabrik zu schließen.
Transparenz als Schlüssel zur Effizienz
Energieeffizienz beginnt mit Transparenz. In modernen Fabriken werden bereits zahlreiche energierelevante Daten erfasst – von einzelnen Maschinen und Prozessen bis zu den Versorgungssystemen. Doch die Menge an Daten macht es schwierig, den Überblick zu behalten. Hier setzt KI4ETA mit innovativen Assistenzsystemen an: Eine im Projekt entwickelte Mixed-Reality-Brille visualisiert Energieflüsse direkt im Sichtfeld des Anwenders. Komplexe Zusammenhänge sind so auf einen Blick erkennbar und können durch Kontextinformationen wie Schaltpläne ergänzt werden.
Ein weiteres Highlight ist ein autonomer Roboter zur Detektion von Druckluftleckagen. Druckluft zählt zu den teuersten Energiequellen in der industriellen Produktion, wobei bis zu 30 Prozent der erzeugten Druckluft durch Leckagen verloren gehen. Der Roboter navigiert selbstständig durch Fabriken, identifiziert Leckagen und übermittelt die Resultate an eine Energiemanagementplattform. Tests in der ETA-Fabrik der TU Darmstadt und bei Industriepartnern zeigten, dass der Roboter zuverlässig arbeitet und zeitaufwändige manuelle Prozesse ersetzen kann.
Um auch bei den Medien Strom, Wärme und Kälte eine effiziente Datenerfassung zu ermöglichen, wurden Tools zur optimalen Platzierung von Messstellen sowie auf maschinellem Lernen basierende Methoden zur automatisierten Identifikation von Datenpunkten entwickelt.
Qualität und Energieeffizienz Hand in Hand
Ein weiteres Beispiel, das die Potenziale von KI aufzeigt, ist die Verknüpfung von Energie- und Maschinendaten zur Optimierung der Bauteilqualität. Im Werk des Industriepartners EJOT wurden hochfrequente Daten an einer Umformmaschine erfasst. Diese ermöglichen es, fehlerhafte Bauteile bereits während des Produktionsprozesses zu erkennen und auszusortieren. Dadurch wird nicht nur der Ausschuss um bis zu 20 Prozent reduziert, sondern auch der Energieverbrauch pro korrekt produziertem Bauteil gesenkt – ein bedeutender Schritt in Richtung nachhaltigerer Produktion.
Intelligente Steuerung durch digitale Zwillinge
Für das Training von KI-Tools werden Datensätze des zu optimierenden Systems benötigt. Dabei muss die KI auch Zustände „kennenlernen“, die im realen Betrieb unerwünscht bzw. unzulässig sind. Um eine integrierte Steuerung von Produktionsprozessen und Versorgungstechnik auf Basis von KI zu entwickeln, ist ein direktes Training in realen Fabrikumgebungen daher nicht möglich. Zentraler Baustein von KI4ETA ist deshalb die Nutzung digitaler Zwillinge. Diese präzise modellierten virtuellen Abbilder von Anlagen ermöglichen die risikofreie Entwicklung einer Fabriksteuerung auf Basis von Deep Reinforcement Learning. Tests in der ETA-Fabrik zeigten, dass diese KI-Lösung in der Lage ist, stabile und energieeffiziente Betriebsstrategien abzuleiten, die weder Produktqualität noch Betriebssicherheit gefährden.
Dynamische Tarife und bidirektionales Laden
Neben der Energieeffizienz stand auch die Integration der erneuerbaren Energien im Fokus: zum einen durch dynamische Tarife, die Anreize schaffen, Strom dann zu nutzen oder zu speichern, wenn ein hohes Angebot an erneuerbaren Energien besteht; zum anderen mittels Sektorenkopplung, indem Grünstrom nicht nur für den Fabrikbetrieb, sondern auch für Wärmeversorgung oder Mobilität genutzt wird. Im Projekt wurde dies insbesondere durch bidirektionales Laden von Elektrofahrzeugen an der ETA-Fabrik realisiert. Die Fahrzeug-Batterien dienen dabei als Zwischenspeicher, die auch in das Fabriknetz zurückspeisen können. So können die Fahrzeuge bevorzugt bei hohem Solar- oder Windstromangebot geladen und z.B. bei starker Netzbelastung wiederum entladen werden.
Von der Forschung in die Praxis
Die praktische Anwendbarkeit der entwickelten Technologien hat bei KI4ETA eine hohe Priorität. In Zusammenarbeit mit Industriepartnern wie Bosch und EJOT wurden die Lösungen direkt in Produktionsumgebungen getestet. So wurde sichergestellt, dass die Forschungsergebnisse auch in der Praxis umsetzbar sind. Markantes Beispiel ist die etalytics- Energiemanagementplattform: Sie ermöglicht neben dem Monitoring und der Prognose von Energieflüssen auch eine energieeffiziente Steuerung der Versorgungstechnik und berücksichtigt dabei aktuelle Energiepreise, um kostenoptimale Fahrpläne zu erstellen. Bei der Klimatisierung von Rechenzentren kommt sie bereits zum Einsatz und trägt somit auch dazu bei, den Energiebedarf von KI-Anwendungen zu reduzieren.
Dies ist ein Beitrag aus BAUM Insights 4/2025.
Der Autor, Dr.-Ing. Nils Roloff, ist seit 2012 in der Energiewirtschaft tätig. Er ist Wirtschaftsingenieur und koordiniert strategische Projekte beim BAUM-Mitglied ENTEGA AG. Der Regionalversorger mit Sitz in Darmstadt treibt mit einem starken Fokus auf Klimaschutz und Digitalisierung die Energiewende voran.