22 WIRTSCHAFTSVERBÄNDE FORDERN NEUE RECHTSFORM FÜR GEBUNDENES VERMÖGEN
Die Initiative für eine neue Rechtsform für Unternehmen mit gebundenem Vermögen bekommt kräftigen Rückenwind: 22 Wirtschaftsverbände, darunter BAUM, haben sich zusammengeschlossen, um von der Bundesregierung die baldige Einführung der Rechtsform zu fordern. Das Vorhaben steht im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien. Vor allem dem Mittelstand würde eine eigenständige neue Rechtsform helfen. Nun bestätigt ein gemeinsames Verbändepapier den dringenden Bedarf und umreißt klare Eckpunkte.
Die Verbände, die insgesamt für mindestens 100.000 Mitglieder sprechen, begrüßen, dass die Bundesregierung das Thema angehen will. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien heißt es: "Für Unternehmen mit gebundenem Vermögen wollen wir eine neue geeignete Rechtsgrundlage schaffen, die Steuersparkonstruktionen ausschließt." Das könne nur die Einführung einer Gesellschaft mit gebundenem Vermögen leisten, eine GmgV, so die Verbände. Die Herausforderung sei nur dann geschafft, "wenn eine unbürokratische, einfache Lösung, eine eigenständige Rechtsform etabliert wird, die von Unternehmern ohne große Beratung umgesetzt werden kann", heißt es in dem am 19. Juni veröffentlichten Papier. Politiker:innen aller drei Ampel-Parteien reagierten am Morgen bei einer Pressekonferenz positiv auf die Forderung (siehe weiter unten).
Insbesondere für das drängende Nachfolge-Problem im deutschen Mittelstand verspricht eine eigenständige neue Rechtsform Abhilfe. Wie kürzlich u.a. die Tagesschau berichtete, stehen laut KfW aktuell 560.000 Nachfolgen an. Nur noch weniger als die Hälfte davon gelingt in der Familie, 190.000 droht laut KfW die Auflösung. Oftmals auch deshalb, weil ein Verkauf an den privaten Vermögensverhältnissen fähiger Nachfolger scheitert. Die GmgV böte Unternehmen die Möglichkeit, den Pool potenzieller Nachfolger erheblich zu erweitern und die Unternehmensnachfolge unabhängig von der genetischen Familie oder der individuellen Vermögenslage zu gestalten, indem Anteile zum Nennwert weitergegeben würden und nicht vererbbar wären. Schon vor zwei Jahren hatte eine repräsentative Allensbach-Umfrage ergeben, dass fast drei Viertel (72%) der Familienunternehmen in Deutschland eine solche Rechtsform begrüßen würden.
Auch für nicht-Exit-orientierte Start-ups sowie Sozialunternehmen böte die GmgV mehr Gestaltungsfreiheit, Unternehmen unabhängig und wirtschaftlich nachhaltig aufzubauen, indem Gewinne rechtsverbindlich im Unternehmen verbleiben und seiner Entwicklung dienen.
Dass eine solche Rechtsform für Unternehmen unterschiedlichster Branchen und Größen relevant ist, zeigt die Diversität der Unterzeichnenden: vom Bundesverband für mittelständische Wirtschaft BVMW und den Verband deutscher Unternehmerinnen über deutschen Start-up-Verband, den Digitalverband BVDW und das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland SEND bis hin zum Blockchain-Verband oder auch Landwirtschafts- und ersten IHK-Verbänden. Es wird erwartet, dass weitere Verbände sich anschließen.
Aus Sicht der Verbände ist der Bedarf an einer neuen Rechtsform vor allem in drei Unternehmensgruppen besonders hoch: im Mittelstand, bei nicht-Exit-orientierten Start-ups sowie in Sozialunternehmen.
Die Verbände umreißen vier Eckpunkte, die ihrer Meinung nach für eine neue Rechtsform unabdinglich sind: 1) eine "unabänderliche Vermögensbindung", 2) ein "aktives Gesellschafterverständnis" und die Weitergabe der Anteile zum Nennwert, 3) eine Offenheit für jedwede unternehmerischen Zielsetzungen und Zwecke sowie 4) die "bestmögliche Absicherung" der Vermögensbindung mithilfe eines Aufsichtsverbands.
Vor allem Vermögensbindung, Aufsichtsverband und die Weitergabe zum Nennwert machen die Einführung einer eigenständigen neuen Rechtsform erforderlich. Eine Eingliederung in bestehende Rechtsformen, beispielsweise im GmbH-Recht, würde eine rechtssichere Vermögensbindung nicht erlauben und dem Bedarf nicht ausreichend Rechnung tragen.
Zudem sei die Rechtsform steuerrechtlich genauso zu behandeln wie alle anderen Rechtsformen und dürfe keinesfalls als Steuersparmodell missbraucht werden können. "Die GmgV würde den Kanon der Rechtsformen ergänzen, keine andere Rechtsform ersetzen oder schlechter stellen." Sie fungiere dann als eine wichtige Option zur Stärkung der Vielfalt, des Wettbewerbs und der Innovationskraft.
"Wir sehen in der im Koalitionsvertrag der Bundesregierung geplanten neuen Rechtsform, der Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (GmgV), eine große Chance für die Soziale Marktwirtschaft, für die Stärkung unabhängiger Unternehmen und damit für den Wirtschaftsstandort Deutschland", heißt es in dem Papier.
Spekulation zu entziehen, Nachfolgern ohne Finanzkraft den Einstieg zu ermöglichen und dieser Tendenzen etwas entgegenzusetzen."
Am19. Juli reagierten bei einer Pressekonferenz zum Thema Politiker:innen von SPD, Grünen und FDP auf den Vorstoß.
Verena Hubertz, SPD, stellv. Fraktionsvorsitzende: "Es ist eine richtig, richtig gute Sache, wir brauchen es, wir sind als Ampelkoalition auch damit im Koalitionsvertrag gestartet. Es kam Krieg, es kamen Krisen, nicht alles geht dann so schnell, wie man sich das vielleicht auch manchmal wünscht, aber wir sind vollends dahinterstehend als SPD-Fraktion, als Ampel, dass wir da auch was gemeinsam umsetzen und ich (...) bin natürlich Unterstützerin in der Sache aus tiefster Überzeugung."
Otto Fricke, FDP, haushaltspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion: "Als Liberaler sagst du natürlich: im Zweifel Rechtsformfreiheit. Das ist für mich auch das, was unser Wirtschaftssystem ausmacht. Und jede Zeit braucht ihre Rechtsform. Und wir müssen einfach auch anerkennen (...), dass in einem digitalen Zeitalter die alte Idee dessen, wie man Unternehmen führt, durch eine neue ergänzt werden muss. Wir müssen auch erkennen, dass es eben manchmal besser ist, wenn der Gewinn nicht aus dem Unternehmen genommen wird, sondern gerade in dieser Zeit im Unternehmen bleibt. Das mag bei unterschiedlichen Geschäftsideen unterschiedlich sein, aber ich glaube, dass diese zusätzliche Rechtsform etwas ist, was der Markt braucht." Weiter: "Und dann muss der Staat nach meiner Meinung eine Möglichkeit geben, das ist der zweite Teil der Freiheit, wie ich es schaffe, dass das, was an intellektuellem Wert, aber auch an Sachwert, aber mehr anintellektuellem Wert in einem Unternehmen geschaffen worden ist, weitergegeben werden kann."
Fricke sagte zudem, auch er sei zu der Ansicht gekommen, dass die Rechtsform eine eigenständige sein müsse. Man müsse das Konzept "sozusagen in eine eigene Rechtsfamilie bringen, gerne mit gewissen Verweisen für bestimmte Teile – auf die Frage wo passt GmbH, wo passt Genossenschaft, wo passt Stiftungsrecht. Aber wenn wir das nicht machen, wird es halt schwierig, weil dann kommt jeder damit, dass er versucht, diese Rechtsform irgendwo in einen Rahmen reinzupressen, wo sie nach meiner Meinung und nach dem, was ich jetzt sehe, nicht hineingehört."
Katharina Beck, Bündnis 90/Die Grünen, finanzpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion: "Ich bin einfach dafür, dass es einen fairen Wettbewerb auch unterschiedlicher Rechtsformen gibt. Und da ist eben die Rechtsform mit gebundenem Vermögen, wenn sie denn wirklich hundertprozentig sicher einen Asset Lock hat, sehr gut. Und darauf möchte ich auch die Zielsetzung dieser Rechtsform wirklich beschränken und sie nicht noch mit irgendwelchen ökosozialen Labels überfrachten. Es soll einfach eine Rechtssicherheit sein im Bezug auf die Vermögensbindung."
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