DEKARBONISIERUNG DURCH INSETTING
Insetting kann eine Brückenlösung auf dem Weg zur Dekarbonisierung von Prozessen und Produkten darstellen. Es setzt – anders als das Offsetting – direkt innerhalb der eigenen Wertschöpfungskette an. Damit können Unternehmen ihren Handprint, d.h. die positiven Auswirkungen ihrer Aktivitäten, vergrößern und kommunikativ nutzen. BAUM-Vorstand Martin Oldeland sprach zu dem Thema mit Thomas Stock, Geschäftsführer des BAUM-Mitglieds PANO, eines Anbieters für nachhaltige Verschlusslösungen.
Thomas Stock: Mit unseren Nachhaltigkeits-Initiativen konnten wir bereits beachtliche Erfolge erzielen. Zwischen 2021 und 2023 haben wir es geschafft, 1.000 t CO2in Scope 1 und 2 zu reduzieren. Dies entspricht einer Ersparnis von 48%. Hier sind wir auch im Plan mit unserem SBTi-Reduktionspfad.
Umsetzen konnten wir diese Einsparungen durch
unterschiedliche Maßnahmen: Standortkonzentration; keine Transporte zwischen
Standorten mehr; Einkauf von Strom aus erneuerbaren Energien, Optimierung und
Maschinenauslegung der bestehenden Lackier-Anlage; Anschaffung neue 4-Farben-UV-Druckanlage;
Investition in eine neue Lackier-Anlage.
Durch diese Investitionen mit Anlagenmodernisierungen konnten wir unsere Erdgas-Verbräuche massiv reduzieren, unsere Klimastrategie stärken, und betriebswirtschaftliche Vorteile generieren. Damit aber nicht genug. Auch in Zukunft werden wir Maßnahmen ergreifen, um weiter Emissionen in Scope 1 und 2 zu reduzieren.
Die andere Seite der Medaille betrifft Scope 3. Diese vereinnahmen über 90% unserer Gesamt-Emissionen, so dass hier definitiv Handlungsbedarf besteht. Ein Großteil entfällt dabei auf das eingekaufte Weißblech. Hier sind wir mit Stahlherstellern ins Gespräch gegangen, um schon heute emissionsmindernde Lösungen für uns und unsere Kunden zur Verfügung stellen zu können. Dabei kam das Gespräch schnell auf den Einsatz von emissionsmindernden Zertifikaten.
Stock: Heute haben wir einen positiven Blick. Warum waren wir am Anfang skeptisch? Tatsächlich wollten und haben wir zunächst vorbehaltlos die Nutzung der von den Stahlherstellern angebotenen Zertifikate unseren Kunden angeboten. Dann sind wir aber bei einem Sachverhalt ins Grübeln gekommen und haben uns mit Fragen an die Hersteller gewendet.
In dieser Phase bekamen wir von ArcelorMittal Europe zeitnah und konkrete Rückmeldungen. Daraus sind weitere Fragen entstanden die vor allem einen Sachverhalt aufklären sollten: Können die Zertifikate in den CCFs und PCFs von PANO verwendet werden? Was zunächst als "easy going" daherkam, wurde in der Diskussion zwischen ArcelorMittal, BAUM Consult und PANO zu einem "Ok, we have to be very serious with this topic."
Schlussendlich ist es in dem mehrjährigen Prozess gelungen, die Anforderungen des Greenhouse Gas Protocol zu berücksichtigen. Für uns war es jederzeit wichtig, eine transparente und saubere Nutzung der XCarb steel certificates sicherzustellen. Das vor allem, weil wir unsere Anstrengungen in Sachen Nachhaltigkeit nicht als Marketing-Gag verstehen und nur mit vollends bestätigter Machbarkeit und Bestätigung seitens ArcelorMittal und BAUM Consult einen Mehrwert schaffen.
Nun ist es gelungen einen Weg mit der Nutzung der XCarb steel certificates zu gehen, der die Anforderungen der regulatorischen Standards wie ESRS, GHG Protocol und Klimastrategien nach SBTi berücksichtigt. Dabei mussten wir uns von der Vorstellung verabschieden, dass die Zertifikate direkt in den Scope 3 von CCF und PCF berücksichtigt werden können. Das ist mit der Methode des Insetting, also der Nutzung von Zertifikaten, die zusätzliche Emissionsminderungsmaßnahmen des Herstellers entlang der Wertschöpfung erfassen, nicht möglich. Dennoch können Anwender an der Dekarbonisierung teilhaben und ihren Beitrag zur Dekarbonisierung leisten. Anwender von XCarb steel certificates unterstützen ArcelorMittal bei seinen Dekarbonisierungsbestrebungen und können so zu einem echten systemischen Wechsel beitragen. Anders als beim Offsetting entsteht die CO2-Minderung durch Insetting innerhalb der Wertschöpfungskette und wirkt unmittelbar entlang der Wertschöpfungskette und zurück.
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Stock: Unsere Kunden auf Unternehmensseite haben ein Verständnis sowohl für die Herausforderungen der Reduktion ihrer CO2-Emissionen als auch für zur Verfügung stehende und sich entwickelnde Werkzeuge. Die Zertifikate mittels Insetting sind aber noch nicht so weit verbreitet und unterliegen häufig falschen Annahmen, was deren standardkonforme Nutzung anbelangt. Hier war bei unseren Kunden und auch bei uns eine Verbesserung des Wissenstands notwendig, um die Chancen innerhalb des regulatorischen Rahmens klar herauszuarbeiten und vollständig und transparent kommunizieren zu können. Dabei ist uns BAUM Consult eine fantastische Hilfe gewesen.
Eine klare Abgrenzung zum Offsetting und die transparente Kommunikation von Chancen, Grenzen und Anwendungsmöglichkeiten sorgte und sorgt auch bei unseren Kunden dafür, dass diese im Insetting eine praktikable Brückenlösung sehen. Das Handprint-Konzept ist trotz seiner unbestreitbaren Stärken erst in den letzten Jahren stärker in den Fokus gerückt.
Stock: Wir berücksichtigen die aktuellen Entwicklungen der Green-Claims-Richtlinie, verschiedene Gerichtsurteile zu Umweltaussagen in Deutschland und versuchen mögliche zukünftige Entscheidungen vorwegzunehmen. Zu Recht herrscht eine große Sensibilität für Greenwashing. Durch unsere mehrjährige Auseinandersetzung mit dem Thema und durch die Expertise von BAUM Consult und NGOs eröffnet sich für uns ein Kommunikationsweg, um Kunden diesen Insetting-Ansatz verständlich und glaubwürdig zu kommunizieren und ihnen eine Anleitung an die Hand geben zu können, wie sie die durch XCarb steel certificates CO2-geminderten Verschlüsse im alternativen PCF für sich kommunikativ nutzen können.
Stock: Spannende Gespräche. Wir wollen nochmal betonen, dass wir eine sichere und bestätigte Vorgehensweise bei der Nutzung der Zertifikate von uns selbst, aber auch von ArcelorMittal und BAUM Consult forderten. Nachdem wir diesen ausformuliert hatten, sind wir in einen regen Austausch mit NGOs eingetreten, so zum Beispiel mit dem NABU Deutschland. Dabei hat uns auch BAUM e.V. sehr unterstützt.
Dies war ein mehrstufiger Prozess, der aus einer Vorstellung des Projekts und einem Folgetermin zur Kommunikation bestand. Wir haben über die Umsetzung der Anforderungen an die Zertifikate gesprochen und über deren Nutzung entlang der Wertschöpfungskette. Besonders hervorgehoben wurde dabei die Notwendigkeit, bestimmte Kriterien an diese Form der Zertifikate zu erfüllen, so dass sie sauber abgegrenzt genutzt werden können und einen tatsächlichen Mehrwert auf dem Weg zu einer dekarbonisierten Stahlindustrie schaffen. In der Diskussion zur Kommunikation stand im Vordergrund, diese so zu gestalten, dass die bereits beschriebenen Herausforderungen der noch nicht umgesetzten Green-Claims-Richtlinie und inländischer Anforderungen gemeistert werden.
Stock: Wir haben beim Greenhouse Gas Protocol, dem Standardwerk für die Erstellung von CCF und PCF, eine Anfrage zur Berücksichtigung in den Carbon Footprints gestellt. Dabei ging es uns darum, die Anforderungen der Regeln streng einzuhalten. Die Fragestellung wurde in einer Veröffentlichung angesprochen, eine unmittelbare Zuordnung zu unserer individuellen Frage war allerdings nicht möglich. Wir wollen damit zum Ausdruck bringen, dass es Aufgabe von Unternehmen ist, nachzubohren und bei den weltweiten Standards, die sich etabliert haben, nachzufassen. Je mehr dies tun, desto stärker Berücksichtigung finden neue Ansätze in den regulatorischen Werken und können helfen, Fragen zu beantworten, Umsetzungsprobleme zu lösen und Kontroversen auf eine gute regulatorische Basis zu stellen. Und im Endeffekt Maßnahmen zur Dekarbonisierung anregen.
Aktuell bestehen Diskussionen dazu, Insetting-Zertifikate weiter zu öffnen und diese in Klimastrategien (z.B. SBTi) integrierbar zu machen. Der WWF hat dazu auch ein Positionspapier veröffentlicht, dass Insetting positiv bewertet, Offsetting im Rahmen von Klimastrategien kritischer sieht.
Beim Handabdruck sehen wir Handlungsbedarf. Dieser ergibt sich aus dem positiven Effekt des Vergleichs von Treibhausgas-Emissionen vorher und nachher. Die (positive) Veränderung ist dann der Handprint-Effekt. Wünschenswert wäre eine stärkere Beachtung des Handprint, da Veränderungen zu einer positiveren Wahrnehmung und motivierenderen Sprache im Klima-Kontext führen können. Statt sich auf die Treibhausgas-Inventare zu beschränken und diese bloß gegenüberzustellen. Dies könnte zusätzlich über den motivierenden Charakter Maßnahmen entfalten und eine größere Sensibilität für das Thema schaffen.
Letztlich gehen Insetting und Handprint Hand in Hand und erfordern einen starken regulatorischen Unterbau. Das Insetting aufgrund seiner Komplexität, der Handprint in Ermangelung einer allgemeingültigen Definition. Um es kurz zu sagen: Druck von Einzelunternehmen, Leuchtturm-Projekten und Branchenverbänden sollten auf regelsetzende Organisationen ausgeübt werden. Dazu die Bereitschaft, Neues zu probieren und Herausforderungen und Unschärfen nicht zu scheuen!
BAUM ist ein cooles Netzwerk von nachhaltig wirkenden Unternehmen. Tatsächlich wollen wir einen Austausch auch über die Branchengrenzen hinweg anregen. Wir möchten neue Erkenntnisse sammeln, unsere Erfahrungen teilen und Insetting-Konzepte als das vertreten, was sie sind: Ein Baustein auf dem Weg zur Dekarbonisierung, der Maßnahmen stützt und unterstützt. Wir möchten weiter im Dialog bleiben und zum Thema branchenübergreifenden Austausch anregen.
Oldeland: Herzlichen Dank, Thomas, für das interessante Gespräch. Ich hoffe wir konnten wichtige Einblicke in das Thema Insetting, euer Vorgehen und eure Erfahrungen geben.
Der BAUM-Praxistalk "Dekarbonisierung durch Insetting" mit den genannten Akteuren PANO, ArcelorMittal und BAUM Consult findet am 25. Februar 2025 von 14 bis 16 Uhr online statt.
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