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EU-LIEFERKETTENGESETZE: 57% DEUTSCHER GROßUNTERNEHMEN SEHEN CHANCE STATT BÜRDE

Eine Umfrage von YouGov im Auftrag des BAUM-Mitglieds JARO Institut zeigt, dass die Mehrheit deutscher Unternehmen überzeugt ist, dass die EU-Lieferkettengesetze Wettbewerbsvorteile mit sich bringen. Die Möglichkeit einer EU-weiten Harmonisierung von Due Diligence, somit konkreter Sorgfaltspflichten, wie sie in der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) vorgesehen sind, wird dabei ebenfalls unterstützt.

Eine neue Umfrage unter mehr als 1.300 Entscheidungsträger:innen in Unternehmen in ganz Deutschland zeigt, dass die CSDDD der EU auf breite Zustimmung in der Wirtschaft stößt. Dieses Ergebnis steht in scharfem Kontrast zu den aktuellen Bestrebungen der deutschen Bundesregierung, nationale wie europäische Lieferkettengesetze abzubauen.

Die vom JARO Institut in Auftrag gegebene und von YouGov durchgeführte Umfrage zeigt, dass viele deutsche Unternehmen die Regularien im Bereich Due Diligence nicht als Belastung, sondern vielmehr als Chance sehen: Dominierende Argumente sind die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, die Förderung von Investitionen in EU-Lieferketten sowie die Festigung künftiger Investitionsentscheidungen.

Studie zum Download

Der Umfrage zufolge sehen viele Unternehmen in den Sorgfaltspflichten einen Wettbewerbsvorteil für Lieferanten aus der EU. Fast drei von fünf (57%*) Großunternehmen geben an, dass sie aufgrund der gesetzlichen Sorgfaltspflichten Lieferanten aus dem Europäischen Wirtschaftsraum präferieren, da die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards sich hier leichter überprüfen lasse. Diese Dynamik könnte dazu beitragen, das Wachstum innerhalb der angeschlagenen EU-Wirtschaft ankurbeln.

Überraschenderweise glauben 44%* der befragten Unternehmen sogar, dass die CSDDD der EU langfristig einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den USA oder China verschafft; nicht einmal ein Drittel der befragten Instanzen (31%*) ist dabei anderer Meinung.

50%* geben sogar an, die bestehenden nationalen Vorschriften seien jetzt schon von Vorteil: Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verschaffe deutschen Unternehmen einen Vorsprung gegenüber EU-Wettbewerbern in ihrer Anpassung an den neuen EU-Rahmen. Unter den befragten Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten sind sogar 54% dieser Ansicht.

Das Feedback der Unternehmen spiegelt auch die Frustration über die ungewisse Zukunft der EU- Direktive wider: Mehr als die Hälfte (51%*) der Unternehmen stimmt zu, dass die jüngste Entscheidung der EU, die Richtlinie zu überarbeiten, die Planung erschwere. Lediglich 12%* der Befragten sind an dieser Stelle anderer Meinung. Fast die Hälfte (48%)* gibt sogar an, aufgrund dieser Ungewissheit Investitionsentscheidungen aufzuschieben — bei größeren Unternehmen sind es sogar 53%*.

Diese Ergebnisse wurden zu einem politisch brisanten Zeitpunkt veröffentlicht: Bundeskanzler Friedrich Merz hat seine Absicht deutlich gemacht, das LkSG aufzuheben und hat die EU aufgefordert, die CSDDD ihrerseits ganz abzuschaffen. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron hat sich der Forderung nach einer Abschaffung angeschlossen. Die Regierung Merz hat das Gesetz als bürokratischen Übergriff bezeichnet, der die Macht der europäischen Industrie auf den globalen Märkten untergrabe.

Die publizierte Studie deutet nun jedoch darauf hin, dass die meisten deutschen Entscheider:innen strengere Sorgfaltspflichten nicht als Ursache für die wirtschaftliche Misere Deutschlands sehen.

So nannten nur 8% der Befragten die Verringerung von Due Diligence als oberste Priorität, um das Wirtschaftswachstum effektiv anzukurbeln. Andere Faktoren wurden hingegen häufiger genannt und deutlicher priorisiert: In der Umfrage bezogen sich 35% auf eine Bekämpfung gestiegener Energiepreise, 27% auf eine Beschleunigung von Planungsprozessen und 23% auf eine verbesserte und beschleunigte Digitalisierung.

"Diese Umfrage stellt das vorherrschende Narrativ infrage, dass die Sorgfaltspflichtgesetze eine Belastung für die deutsche Wirtschaft darstellen. Tatsächlich sehen viele Unternehmen diese als Chance für Wettbewerbsstärke, Investitionen und sogar als Treiber für bessere Geschäftspraktiken. Das Signal aus der Unternehmenswelt ist eindeutig: Rechtssicherheit, Harmonisierung und robuste Standards sind keine Hindernisse für deutsches Wirtschaftswachstum, sondern ermöglichen zukunftssichere Lieferketten und langfristigen Wohlstand", sagt Yvonne Jamal, Gründerin und Vorstandsvorsitzende des Berliner JARO Instituts für Nachhaltigkeit und Digitalisierung e.V., welches die Studie in Auftrag gegeben hat.

Die Angleichung der Rechtsvorschriften in der EU wird von vielen als Schritt in die richtige Richtung gesehen: 56%* der deutschen Unternehmen unterstützen die Harmonisierung der Sorgfaltspflichten unter den Mitgliedstaaten. Einzig 20%* der Befragten lehnt dieses Vorhaben ab.

Das EU-Omnibuspaket schlägt vor, den Umfang von Due-Diligence-Vorgaben innerhalb von Lieferketten auf direkte Zulieferer zu begrenzen. Dieser Anpassung steht die deutsche Wirtschaft allerdings skeptisch gegenüber: 64% der befragten Großunternehmen sind überzeugt, dass erhöhte Risiken vor allem jenseits direkter Geschäftspartnerschaften bestehen und gerade Menschenrechts- und Umweltrisiken erst in den tieferen Schichten von Lieferketten auftreten. So vertritt fast die Hälfte aller befragten Unternehmen (46%*) die Position, ein Abweichen vom risikobasierten Ansatz der OECD käme einem erhöhten Aufwand für ihre Organisationen gleich. Nur 12% stimmen hier nicht zu.

Absolut entscheidend ist zudem, dass die Umfrage auch einen kulturellen Wandel in der Art und Weise widerspiegelt, wie deutsche Unternehmen an Menschenrechts- und Umweltfragen herangehen: Ganze 69%** stufen die Einhaltung von Standards im Bereich Due Diligence als wichtig ein. Darüber hinaus gaben 54%** der Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten an, die Bedeutung dieser Standards habe seit Inkrafttreten des LkSG an Bedeutung gewonnen. So haben immerhin 41%* aufgrund bestehender oder geplanter Vorschriften bereits in den Schutz von Umwelt und Menschenrechten investiert.

"Für ein mittelständisches, global operierendes Industrieunternehmen wie Nanostone Water ist die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in komplexen Lieferketten eine Herausforderung — aber eine, der wir uns gern stellen. Kluge Gesetzgebung, etwa zu verbindlichen Sorgfaltspflichten, sehen wir als Unterstützung, nicht als Hindernis. Deswegen befürworten wir eine schnelle Einigung auf europäische Regeln. Was deutsche Mittelständler jetzt brauchen, ist Klarheit und Konsistenz, keinen Rückschritt", sagt Christian Göbbert, Chief Research & Science Officer der Nanostone Water GmbH.

"Die Argumente für nachhaltige Lieferketten sind stärker denn je. Unternehmen wie unsere Mitglieder wollen einen klaren, EU-weiten Rahmen, der aktive Transparenz belohnt und gleiche Wettbewerbsbedingungen schafft. Eine stärkere Angleichung der sich überschneidenden Vorschriften ist notwendig, ohne jedoch die bestehenden Regeln zu verwässern. Dieses Regelwerk jetzt aufzuheben oder zu schwächen, würde nicht nur unseren Fortschritt untergraben, sondern genau die wirtschaftliche Unsicherheit schüren, die seitens der Politik vermieden werden soll. Das wirkt sich bereits jetzt auf Investitionen aus und wird unsere langfristige globale Wettbewerbsfähigkeit durchaus beeinträchtigen", so Prof. Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin des Bundesverbandes für Nachhaltige Wirtschaft (BNW).


* Der %-Wert ist ein aggregierter Wert aus zwei Skalenpunkten (z. B. „Stimme völlig zu" und „Stimme etwas zu").

** Der %-Wert ist ein aggregierter Wert aus 5 von 10 Skalenpunkten.





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