Das zurückliegende Jahr war turbulent. Das Omnibus-Paket der EU hat eine Schneise in das unternehmerische Nachhaltigkeitsmanagement geschlagen – viele Branchen befinden sich noch in der Orientierungsphase. Eines zeichnet sich jedoch ab: die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist nicht mehr aus der Agenda der Unternehmen wegzudenken.
Stakeholder fordern nachvollziehbare Nachhaltigkeitsinformationen ein, um diese in ihren Entscheidungen zu berücksichtigen. Schließlich sind Nachhaltigkeitsthemen mit signifikanten Risiken und Chancen verbunden. Zwei Varianten der Offenlegung wird es in Zukunft voraussichtlich geben: zum einem die verpflichtende Berichterstattung nach den European Sustainability Reporting Standards (ESRS), zum anderen die freiwillige Berichterstattung auf Basis eines anerkannten Standards. Einen Bericht zu schreiben bzw. den ersten aufzusetzen, ist herausfordernd, aber machbar. Wir haben 9 Praxis-Tipps für Sie zusammengetragen.
1. Den passenden Standard wählen
Ein Berichts-Standard ist strukturiert, fordert vergleichbare Inhalte, und Hilfen aus der Praxis sind in der Regel bereits publiziert. Deswegen empfehlen wir: Wählen Sie einen Standard, der zu Ihren Bedürfnissen passt. Ist Ihr Unternehmen global oder lokal tätig, welche Anforderungen haben Ihre Stakeholder, wie groß ist Ihr Unternehmen und – ganz wichtig – wie stark haben Sie Nachhaltigkeit bereits in den Geschäftsprozessen verankert? Möchten Sie sich an der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) orientieren, so können die ESRS als Referenzrahmen dienen und der Voluntary Sustainability Reporting Standard for SMEs (VSME) ein Einstieg in die freiwillige Berichterstattung sein.
2. Ein Kernteam aufstellen – Finance unerlässlich
Ein Nachhaltigkeitsbericht ist Teamarbeit. Informationen müssen aus dem gesamten Unternehmen zusammengetragen werden – eine Person allein kann diese Aufgabe nicht bewältigen. Bauen Sie ein interdisziplinäres Kernteam auf: Facility, HR, Kommunikation, Controlling und Finance. So entsteht ein realistisches Abbild Ihres Unternehmens, das die Vielfalt der Unternehmensbereiche widerspiegelt und zugleich die Brücke zur Finanzwelt schlagen kann.
3. Fokusthemen identifizieren und Bewusstsein schaffen
Die Doppelte Wesentlichkeitsanalyse (DWA) ist unverzichtbar. Mit der DWA filtern Sie aus der Vielzahl von Nachhaltigkeitsthemen diejenigen heraus, die für Ihr Unternehmen von Bedeutung sind. Das sind zum einen die wesentlichen Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf Mensch und Natur und zum anderen die Chancen und Risiken, die sich aus Nachhaltigkeitsaspekten für Ihre Geschäftstätigkeit ergeben. So wird ein klarer Fokus gesetzt, der die Berichterstattung strukturiert und hilft, die Organisation strategisch auszurichten. Durch die DWA lassen sich Verantwortlichkeiten gezielt zuordnen. Zudem werden Mitarbeitende in den Fachbereichen von Beginn an eingebunden, wodurch die Akzeptanz steigt, Nachhaltigkeit immer mitzudenken.
4. Gap-Analyse durchführen
Sie werden sicherlich nicht bei Null anfangen. Prüfen Sie: Welche Maßnahmen und Daten liegen bereits vor? Wer ist Dateneigner:in? Ziel der Gap-Analyse ist festzustellen, welche Informationen vorhanden sind und zu welchen Datenpunkten berichtet wird. Zudem empfiehlt es sich, die Gap-Analyse als pragmatischen Hebel zur Vereinfachung der verpflichtenden Berichterstattung zu nutzen, indem Sie z.B. freiwillige Datenpunkte filtern und diese anschließend aussparen. Die Gap-Analyse ist ein wichtiges Instrument, um Nachhaltigkeitsberichterstattung anzustoßen und zu etablieren. Es entsteht ein strukturierter Prozess, der strategische Diskussionen erleichtert und Transparenz schafft.
5. Ein erweitertes Kennzahlenset festlegen
Wenn Sie sich entschieden haben, nach dem VSME zu berichten, empfehlen wir: Nehmen Sie sich die Zeit und erweitern Sie die Datenpunkte bzw. KPIs um die Punkte, die für Ihr Unternehmen wirklich wichtig sind und die Stakeholder – etwa Banken oder Lieferanten – erwarten. So schaffen Sie ein Berichtsgerüst, das einerseits den regulatorischen Mindestanforderungen genügt, andererseits aber auch gezielt auf Ihre geschäftlichen Beziehungen einzahlt.
6. Kontinuierliche Verbesserung (KVP) verankern
Nicht alle inhaltlichen Lücken lassen sich bis zum ersten oder nächsten Bericht schließen – und das ist auch nicht zwingend nötig. Wichtig ist, einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) aufzusetzen, der den jährlichen Status-quo der Nachhaltigkeitsleistung prüft, weitere Ziele und Maßnahmen definiert sowie Verantwortlichkeiten klärt. Dadurch kann Ihr Unternehmen seine Nachhaltigkeitsleistung Schritt für Schritt steigern. Im Bericht lässt sich diese positive Entwicklung jährlich transparent darstellen – ein wichtiger Faktor für Glaubwürdigkeit und Vertrauen bei Stakeholdern.
7. Daten erfassen – mit oder ohne Tool
Mit oder ohne Tool, das ist hier die Frage: Die Software-Landschaft ist vielgestaltig und im Wandel. Es ist durchaus vertretbar, für die ersten Schritte der Berichterstattung gängige Programme wie Excel oder die kostenlose und öffentlich zugängliche Plattform zur Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten des Deutschen Nachhaltigkeitskodexes (DNK) zu nutzen. So wird vor dem Kauf einer Software deutlich, welche Funktionen eine Software mitbringen muss, damit Sie effektiv und zielgerichtet Bericht erstatten können. Unser Tipp: Starten Sie pragmatisch, orientieren Sie sich an bestehenden Strukturen – es muss nicht die perfekte technische Lösung von Tag eins an sein.
8. Schreiben: KI nutzen, aber Unternehmenssprache bewahren
KI-Tools können beim Strukturieren, Zusammenfassen oder Prüfen helfen. Doch Glaubwürdigkeit entsteht erst, wenn der Text die Sprache und Kultur des Unternehmens widerspiegelt. Es ist also notwendig, dass Sie sich persönlich mit den Textpassagen auseinandersetzen. Unser Tipp: Nutzen Sie bereits veröffentlichte Berichte von Mitbewerbern als Inspiration.
9. Kommunikation und Verwertung planen
Der Bericht ist nicht nur für die Ablage. Bereiten Sie zentrale Botschaften für Kund:innen, Mitarbeitende, Banken und Lieferanten auf. Im Nachhaltigkeitsbericht wurden viele wichtige Informationen zusammengetragen, die Ihre Stakeholder benötigen, um fundierte Entscheidungen treffen zu können. Mit Kurzversionen, Visualisierungen oder FAQs erhöhen Sie die Reichweite.
Fazit: Schritt für Schritt zum Ziel
Der erste Nachhaltigkeitsbericht ist ein anspruchsvolles Projekt. Ziehen Sie beim ersten Durchgang pragmatisch alle Hebel zur Vereinfachung. Stück für Stück können Sie dann in Tiefe und Breite ergänzen. Nutzen Sie die DWA als Kompass, stellen Sie ein interdisziplinäres Team auf, Prozesse und Strukturen sind Ihr Handwerkszeug. Gehen Sie pragmatisch an die Sache heran. Der Aufwand lohnt sich – und der zweite Bericht geht spürbar leichter von der Hand.
Dies ist ein Beitrag aus BAUM Insights 1/2026.
Die Autorin, Katharina Brändlein, leitet den Bereich „Nachhaltig Wirtschaften“ bei B.A.U.M. Consult. Mit ihrem Fokus auf eine holistische Unternehmensführung begleitet sie Unternehmen bei der Transformation – praxistauglich, erfahrungsbasiert, wissenschaftlich fundiert und lebendig.
