ESRS 2.0: Was Unternehmen über die neuen EU­-Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung wissen sollten

09. Dezember 2025 | Einblicke & Perspektiven, Sustainable Finance & Berichterstattung

In der Europäischen Union steht aktuell die Neufassung der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) an – mit spürbaren Auswirkungen für Unternehmen und ihre Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Bei schneller Umsetzung könnten die neuen Regeln bereits ab der ersten Jahreshälfte 2026 greifen.

Für viele Firmen stellt sich die Frage, welche Anpassungen es bei den ESRS geben wird und welche Chancen und ggf. auch Risiken damit auf sie zukommen. Die folgenden Ausführungen zu ESRS 2.0 und den damit verbundenen Änderungen beziehen sich auf die zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses für diesen Beitrag bekannten Entwürfe.

Auch wenn durch die sogenannte „Stop the Clock“-Direktive vom Frühjahr dieses Jahres die Zeitpläne für die allgemeinen Berichtspflichten noch einmal verschoben wurden, verpflichtet die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) in den kommenden Jahren eine Vielzahl von Unternehmen in der EU zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Von zentraler Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die ESRS, die das technische Regelwerk bilden, nach dem die CSRD-Reports zu gestalten sind.

Warum die Reform jetzt kommt

Die erste Version der ESRS trat im Januar 2024 in Kraft und sollte unter anderem die Transparenz der Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie die Vergleichbarkeit über Unternehmensgrenzen hinaus sicherstellen. Die Erfassung von über 1.000 möglichen Datenpunkten machte die Nachhaltigkeitsberichterstattung nach ESRS für viele Unternehmen aber zu einem anspruchsvollen und aufwändigen Unterfangen. Mit ESRS 2.0 will die EU-Kommission nun nachjustieren: Der Fokus liegt auf Straffung, Verständlichkeit und Entlastung.

Weniger Daten, mehr Fokussierung

Eine der Leitplanken des ESRS-Updates ist die angestrebte deutliche Reduktion des Umfangs der Berichtspflichten. Die Entwürfe sehen vor, dass rund zwei Drittel der zu erfassenden Datenpunkte gestrichen werden. Besonders deutlich ist die Kürzung im Klimastandard: Hier sinkt die Zahl der verpflichtenden Angaben um mehr als die Hälfte, während frei willige Angaben fast vollständig entfallen. Auch die weiteren Berichtsstandards, die sich mit allgemeinen Anforderungen sowie mit sozialen und unternehmenspolitischen Themen beschäftigen, sollen massiv verschlankt werden. Unternehmen können sich beim Reporting so künftig auf die Erfassung der wesentlichen Informationen konzentrieren.

Die neue doppelte Wesentlichkeit

Besonders gravierend sind die vorgesehenen Änderungen bei der sogenannten doppelten Wesentlichkeitsanalyse, einem Kernstück der ESRS. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, mit dem zugleich bewertet werden kann, welche Nachhaltigkeitsthemen den Erfolg eines Unternehmens im Einzelfall finanziell beeinflussen und welche Auswirkungen das Unternehmen umgekehrt auf Umwelt und Gesellschaft hat. Die doppelte Wesentlichkeit zählt zu den anspruchsvollsten Elementen der Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Künftig soll nun ausdrücklich ein pragmatischer Top-down-Ansatz erlaubt sein: Zu Beginn können Unternehmen den Fokus auf Themen legen, die eindeutig wesentlich sind oder in Zukunft werden könnten – beispielsweise im Hinblick auf das Geschäftsmodell, die Wertschöpfungskette, branchentypische Gegebenheiten oder die strategische Relevanz. Themen, die nach diesen Maßstäben hingegen als nicht wesentlich eingeordnet werden, müssen anschließend nicht weiter vertieft werden. Ergänzt wird dies durch eine gestraffte Themenliste (nach alter Fassung ESRS 1 AR16) und klarere Vorgaben zur Bewertung von Auswirkungen, Risiken und Chancen. Das Verfahren soll dadurch praktikabler werden, ohne an Substanz zu verlieren.

Klare Sprache, bessere Struktur

Neben den inhaltlichen Änderungen setzt die Reform auch auf sprachliche Vereinfachung: Die neuen „General Disclosure Requirements“, ehemals „Minimum Disclosure Requirements“, definieren die neuen, vereinfachten Mindestangaben. Zentrale Aussagen sollen im Rahmen der neuen ESRS besser auf den Punkt gebracht werden, während Detailinformationen in Anhänge ausgelagert werden dürfen – ein wichtiger Punkt, um die Nachhaltigkeitsberichte in Zukunft verständlicher zu machen.

Entlastung für den Mittelstand

Ein zentrales Anliegen der ESRS-Reform ist auch die Wahrung der Proportionalität: Die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung sollen so gestaltet werden, dass der entstehende Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zu den Fähigkeiten und Kapazitäten des jeweiligen Unternehmens sowie zur thematischen Relevanz im Einzelfall steht. Ziel ist, kleine und mittlere Unternehmen vor Überforderung zu schützen. Diesem Ziel dient auch der neue Voluntary Sustainability Reporting Standard for SMEs (VSME), der eine Art Obergrenze für Informationsabfragen definiert und Unter nehmen in der Lieferkette vor allzu detaillierten Abfragen ihrer Auftraggeber schützen soll.

Gleichzeitig wird die sogenannte „Undue cost and effort“-Klausel erweitert, sodass Angaben entfallen können, wenn sie nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erhoben werden könnten. Ergänzt wird dies durch die Einführung einer neuen Kategorie, der „Small MidCaps“. Diese Unternehmensklasse liegt zwischen klassischen KMU und großen Gesellschaften und wird ein maßgeschneidertes, abgespecktes Regelwerk für das Reporting erhalten.

Handlungsbedarf schon heute

Trotz aller angestrebten Vereinfachungen steht fest: Die CSRD wird ein ambitioniertes und komplexes Regelwerk bleiben. Unternehmen tun deshalb gut daran, ihre Reporting-Prozesse jetzt zu überprüfen. Wer heute Strukturen verschlankt, Verantwortlichkeiten klar zuordnet und Daten intelligent bündelt, ist für die neuen Anforderungen gut gerüstet. Wichtig ist auch, flexibel zu bleiben, denn Anpassungen der ESRS 2.0 sind bis zuletzt möglich.

Gleichzeitig lohnt es sich, die Chancen der Vereinfachung aktiv zu nutzen – etwa für eine fokussiertere und glaubwürdigere Nachhaltigkeitskommunikation. Denn auch wenn die Zahl der Pflichtangaben sinkt, bleiben Investoren, Banken und Kund:innen für Unternehmen jeder Größe weiterhin anspruchsvolle Stakeholder, die zunehmend detailliertere ESG-Informationen einfordern.

Fazit

ESRS 2.0 markiert einen Wendepunkt in der europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattung: Weniger Pflicht, mehr Klarheit und eine stärkere Orientierung an der Unternehmensrealität eröffnen neue Spielräume. Wer sich frühzeitig vorbereitet, kann nicht nur regulatorische Risiken minimieren, sondern auch die Vereinfachungen als Chance für eine strategische und überzeugende Kommunikation nutzen. Unternehmen sollten nicht zögern, sich im Bedarfsfall professionellen Rat einzuholen, um sich bestmöglich auf die neuen Rahmenbedingungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung einzustellen und den Reporting-Pflichten auf möglichst effiziente Weise gerecht zu werden.


Dies ist ein Beitrag aus BAUM Insights 1/2026.

Die Autorin, Hannah Graf-Edinger, ist Senior Consultant für unternehmerische Klimastrategien bei First Climate. Als studierte Umweltjuristin berät sie Unternehmen im In und Ausland bei der Dekarbonisierung – mit Schwerpunkten in den Bereichen CO₂-Bilanzierung und Nachhaltigkeitsberichterstattung.

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